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Mit der Zeit erwies sich der von Wittke abgeschlossenen PPP-Vertrag als für die Stadt äußerst ungünstig und finanziell verlustreich. So hatte die Stadt darin z.B. einer Risiko-Übernahme in voller Höhe zugestimmt, sowie ihren völligen Verzicht auf jeglichen Widerspruch gegenüber dem Vertragspartner [[Xeris]] festgelegt, wodurch der Vertrag praktisch unkündbar ist. Zudem hatte Wittke, nachdem der Vertrag vom Stadtrat bereits bestätigt worden war, noch einmal Änderungen vorgenommen, über die die Mehrheit des Rates nie informiert wurde. So wurde z.B. dem Bauunternehmen [[Heitkamp]] ein hoher [[Generalunternehmerzuschlag]] zugesichert.
 
Mit der Zeit erwies sich der von Wittke abgeschlossenen PPP-Vertrag als für die Stadt äußerst ungünstig und finanziell verlustreich. So hatte die Stadt darin z.B. einer Risiko-Übernahme in voller Höhe zugestimmt, sowie ihren völligen Verzicht auf jeglichen Widerspruch gegenüber dem Vertragspartner [[Xeris]] festgelegt, wodurch der Vertrag praktisch unkündbar ist. Zudem hatte Wittke, nachdem der Vertrag vom Stadtrat bereits bestätigt worden war, noch einmal Änderungen vorgenommen, über die die Mehrheit des Rates nie informiert wurde. So wurde z.B. dem Bauunternehmen [[Heitkamp]] ein hoher [[Generalunternehmerzuschlag]] zugesichert.
   
Im September [[2005]] beschloss der Rat der Stadt Gelsenkirchen, den Vertrag zu kündigen, da die inzwischen in Raum stehenden Sanierungskosten für die Stadt nicht mehr tragbar seien. Damit drohte der Abbruch des neben dem [[Musiktheater im Revier]] und der expressionistischen Heilig-Kreuz-Kirche von [[Josef Franke]] bedeutendsten Kulturdenkmals der Stadt Gelsenkirchen. Die Frage der Vertragskündigung einerseits und des Abrisses andererseits sind dabei rechtlich unterschiedliche Verfahrensstränge. <br>
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Im September [[2005]] beschloss der Rat der Stadt Gelsenkirchen, den Vertrag zu kündigen, da die inzwischen in Raum stehenden Sanierungskosten für die Stadt nicht mehr tragbar seien. Damit drohte der Abbruch des neben dem [[Musiktheater im Revier]] und der expressionistischen Heilig-Kreuz-Kirche von [[Josef Franke]] bedeutendsten Kulturdenkmals der Stadt Gelsenkirchen. Die Frage der Vertragskündigung einerseits und des Abrisses andererseits waren dabei rechtlich unterschiedliche Verfahrensstränge. <br>
   
Am [[15. Dezember]] [[2005]] beschloss der Rat der Stadt, auf Vorschlag des Oberbürgermeisters, das Haus abzureißen. Das zur Umsetzung dieses Beschlusses notwendige Einvernehmen mit dem [[Westfälisches Amt für Denkmalpflege|Westfälischen Amt für Denkmalpflege]] wurde im Januar 2006 vom damaligen Landeskonservator Prof. Dr. [[Eberhard Grunsky]] erteilt. Als Begründung wurde die der Stadt Gelsenkirchen nicht zumutbare finanzielle Belastung im Falle einer Sanierung genannt. Diese Begründung wurde seitdem häufig in Frage gestellt, da das Denkmalschutz-Gesetz die ''unzumutbare Belastung'' nur im Falle von Privatpersonen, nicht jedoch im Falle von Kommunen vorsieht.
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Am [[15. Dezember]] [[2005]] beschloss der Rat der Stadt, auf Vorschlag des Oberbürgermeisters Frank Baranowski, das Haus abzureißen. Das zur Umsetzung dieses Beschlusses notwendige Einvernehmen mit dem [[Westfälisches Amt für Denkmalpflege|Westfälischen Amt für Denkmalpflege]] wurde im Januar 2006 vom damaligen Landeskonservator Prof. Dr. [[Eberhard Grunsky]] erteilt. Als Begründung wurde die der Stadt Gelsenkirchen nicht zumutbare finanzielle Belastung im Falle einer Sanierung genannt. Diese Begründung wurde seitdem häufig in Frage gestellt, da das Denkmalschutz-Gesetz die ''unzumutbare Belastung'' nur im Falle von Privatpersonen, nicht jedoch im Falle von Kommunen vorsieht. Grunsky ging gleich darauf in Ruhestand.
   
 
===Bürgerinitiative===
 
===Bürgerinitiative===

Version vom 24. Dezember 2006, 22:42 Uhr

Das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen wurde zwischen 1924 und 1927 vom Essener Architekten Alfred Fischer errichtet und ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Ursprünglich war das Haus multifunktional (Büros, Hotel, Gastronomie, Ladenlokale, Konzertsaal u.w.) geplant, wurde jedoch schon bald nach seiner Fertigstellung zentraler Verwaltungssitz der Stadt Gelsenkirchen.

Es handelt sich um eines der bedeutendsten Bauwerke der Moderne (vgl. z.B. "Neues Bauen") im Ruhrgebiet, und ist im Weltlexikon der Architektur verzeichnet. Stilistisch ist es dem Backstein-Expressionismus zuzuordnen. Die Namensgebung erfolgte nach einem Ideenwettbewerb, an welchem sich alle interessierten Bürger beteiligen konnten. Das Bauwerk, das im Krieg teilweise zerstört, später wiederaufgebaut und Ende der 1950er Jahre ergänzt wurde, weist eine Brutto-Geschoss-Fläche von rund 27.500 m² bei einem Brutto-Rauminhalt von etwa 125.000 m³ auf.

Hans-Sachs-Haus Gelsenkirchen Turm

Der Turm des Hans-Sachs-Hauses

Besonderheiten

Das Hans-Sachs-Haus beherbergt einen Konzertsaal mit der größten erhaltenen neuromantischen Konzertorgel Europas (denkmalgeschützt), einer Walcker-Orgel mit 92 Registern.

In den Fluren des Hauses befindet sich das mutmaßlich weltweit erste Farbleitsystem (Entwurf: Max Burchartz, Professor für Gebrauchsgraphik an der Folkwangschule in Essen), das mit wandgroßen Farbfeldern in Primärfarben durch das Haus führt. Das Farbleitsystem, das der Bauhaus-Moderne zuzurechnen ist, wurde erst in der 1990er Jahren teilweise wiederhergestellt.

In den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs fanden viele Menschen Zuflucht in den Kellern des Hans-Sachs-Hauses. Bei einem Luftangriff am 19. März 1945 kamen im Luftschutzraum 81 Menschen um Leben. Teile des Hauses wurden zerstört.

Vom Architekten Alfred Fischer stammen auch das Volkshaus in Gelsenkirchen-Rotthausen und die RVR-Verwaltung in Essen.

Jüngere Geschichte

Hans-Sachs-Haus Gelsenkirchen

Das Hans-Sachs-Haus heute

Sanierungs-Projekt

2001 beschloss die Stadt Gelsenkirchen das Hans-Sachs-Haus denkmalgerecht zu sanieren. Geplant war eine Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes mit einem Schriftzug über die ganze Länge der Front, einer großen Fenstergalerie im ersten Stock, sowie einer Rekonstruktion des umlaufenden Vordaches, das nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt worden war. Des Weiteren wollte man den Saal wieder in den Originalzustand zurückversetzen und die in den 1950er Jahren eingezogene abgehängte Decke sowie andere Einbauten entfernen, so dass wieder Tageslicht in den Saal fallen würde, wie im Entwurf Fischers ursprünglich vorgesehen. Die Sanierungskosten wurden auf 44 Mio Euro angesetzt.

Baumängel

Kurz nach Beginn der Sanierung stieß man zuerst im Saal, dann auch in anderen Teilen des Gebäudes, besonders im sogenannten Wesseleck, auf bauliche Mängel. Ein von der Stadt beauftragter Gutachter begründete das mit Fehlern, die schon beim Bau in den 1920er Jahren, bei der Sanierung und Ergänzung nach dem Zweiten Weltkrieg und beim Erweiterungsbau Ende der 1950er Jahre gemacht wurden und die wegen der eingeschränkten Bauunterhaltung jahrzehntelang nicht aufgefallen waren. Das Haus wurde vollständig geräumt, nachdem der Veranstaltungsaal für rund 1500 Personen baupolizeilich bereits vorher gesperrt worden war. Verschiedene Gutachten über den baulichen Zustand des Gebäudes bezifferten die Sanierungskosten teils recht unterschiedlich. Die höchste genannte Summe belief sich auf 143 Millionen Euro. Über die im Falle einer Sanierung tatsächlich zu erwartenden Kosten gibt es jedoch starke Meinungsverschiedenheiten zwischen Fachleuten, sowie der das Hans-Sachs-Haus betreuenden Firma.

Kontroverse

Der damalige Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU, heute nordrhein-westfälischer Bauminister) engagierte sich für den Erhalt des Gebäudes und schloss 2001 Verträge ab, die die Sanierung über ein Vermiet-Rückmietmodell finanzieren sollten. Dieses Vertragswerk, aber auch die Sanierung insgesamt, waren von vornherein politisch umstritten. So standen Wittkes späterer Nachfolger Frank Baranowski (SPD) sowie Teile der Fachverwaltung der Stadt dem Vorhaben und seiner Realisierung in ein PPP-Modell eher kritisch gegenüber. Das Thema wurde damit auch Gegenstand des Kommunalwahlkampfes 2004 (Kampagne "Millionengrab Hans-Sachs-Haus").

Mit der Zeit erwies sich der von Wittke abgeschlossenen PPP-Vertrag als für die Stadt äußerst ungünstig und finanziell verlustreich. So hatte die Stadt darin z.B. einer Risiko-Übernahme in voller Höhe zugestimmt, sowie ihren völligen Verzicht auf jeglichen Widerspruch gegenüber dem Vertragspartner Xeris festgelegt, wodurch der Vertrag praktisch unkündbar ist. Zudem hatte Wittke, nachdem der Vertrag vom Stadtrat bereits bestätigt worden war, noch einmal Änderungen vorgenommen, über die die Mehrheit des Rates nie informiert wurde. So wurde z.B. dem Bauunternehmen Heitkamp ein hoher Generalunternehmerzuschlag zugesichert.

Im September 2005 beschloss der Rat der Stadt Gelsenkirchen, den Vertrag zu kündigen, da die inzwischen in Raum stehenden Sanierungskosten für die Stadt nicht mehr tragbar seien. Damit drohte der Abbruch des neben dem Musiktheater im Revier und der expressionistischen Heilig-Kreuz-Kirche von Josef Franke bedeutendsten Kulturdenkmals der Stadt Gelsenkirchen. Die Frage der Vertragskündigung einerseits und des Abrisses andererseits waren dabei rechtlich unterschiedliche Verfahrensstränge.

Am 15. Dezember 2005 beschloss der Rat der Stadt, auf Vorschlag des Oberbürgermeisters Frank Baranowski, das Haus abzureißen. Das zur Umsetzung dieses Beschlusses notwendige Einvernehmen mit dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege wurde im Januar 2006 vom damaligen Landeskonservator Prof. Dr. Eberhard Grunsky erteilt. Als Begründung wurde die der Stadt Gelsenkirchen nicht zumutbare finanzielle Belastung im Falle einer Sanierung genannt. Diese Begründung wurde seitdem häufig in Frage gestellt, da das Denkmalschutz-Gesetz die unzumutbare Belastung nur im Falle von Privatpersonen, nicht jedoch im Falle von Kommunen vorsieht. Grunsky ging gleich darauf in Ruhestand.

Bürgerinitiative

Schon früh begannen die Links-Parteien im Gelsenkirchener Stadtrat (AUF, MLPD und WASG) den HSH-Prozess zu untersuchen und forderten die Offenlegung der teilweise geheimen Verträge und Gutachten. [1]
Für das Bürgerbegehren Licht ins Dunkel um das Hans-Sachs-Haus sammelte die Gruppe 10.000 Unterschriften von Gelsenkirchener Bürgern. [2] Die Stadtverwaltung unter Frank Baranowski versuchte erfolglos die Rechtskräftigkeit dieses Bürgerbegehrens in Frage zu stellen.
Des Weiteren versuchte man der Sprecherin der Gruppe, Monika Gärtner-Engel, gerichtlich zu verbieten, den Satz: "Millionen fließen am Rat der Stadt vorbei in die Taschen des Investors." öffentlich zu gebrauchen. Auch damit scheiterte man vor Gericht. Daraufhin versuchte die Stadt Gärtner-Engel wegen Geheimnisverrats zu verklagen, jedoch ebenfalls ohne Erfolg. 2006 brachte die Bürger-Initiative unter Federführung von Prof. Roland Günter das Buch Weltstar Hans-Sachs-Haus heraus, in dem viele Beteiligte das Geschehen um das Hans-Sachs-Haus teilweise subjektiv beschreiben.

Bürgerforum HSH

Anfang 2006 hat der Gelsenkirchener Stadtplaner und Bauhistoriker Dr. Lutz Heidemann gemeinsam mit den Architekten Kai Kühmichel und Karin Powileit sowie Gelsenkirchener Bürgern das Bürgerforum Hans-Sachs-Haus ins Leben gerufen. Die Gruppe möchte ein moderates Gegengewicht zum offensiven politischen Vorgehen der Bürgerinitiative setzen und den Aspekt der kulturgeschichtlichen Bedeutung des HSH zur Diskussion beitragen. Ziel der Gruppe ist das Gebäude entweder ganz zu erhalten, oder zumindest die Fassade in einen möglichen Neubau zu integrieren. Hierzu wurde eine Petition an Bauminister Oliver Wittke sowie an den Petitionsausschuss des Landtages aufgesetzt, der jedoch von Seiten des Landes nicht entsprochen wurde. [3] Die Arbeit des Bürgerforums trug dazu bei, dass die Stadt sich letztlich vom geplanten Totalabriss des Hans-Sachs-Hauses abgewendet hat.

Aktuell

Nachdem zwischenzeilich der völlige Abriss des Hans-Sachs-Hauses Option war, tendiert die Stadt heute dazu, die maroden inneren Gebäudeteile, die im Zuge von Untersuchungen durch Gutachter stark beeinträchtigt und teilweise zerstört wurden, durch einen Neubau zu ersetzen und nur die markante Fassade sowie den Turm im Original zu erhalten. Dazu wurde im September 2006 unter Leitung des BDA-Ruhrgebiet ein Kreativ-Workshop unter Beteiligung mehrerer Architekten und Stadtplaner durchgeführt, in dem ein Konzept für einen anschließenden internationalen Architekten-Wettbewerb erarbeitet wurde. Der BDA kommentierte dies auf seiner Website mit den Worten: "Alles wird gut!"

Die Verhandlungen zur Vertragsaufhebung mit dem Investor Xeris wurden kurz vor Weihnachten 2006 erfolgreich abgeschlossen und das Hans-Sachs-Haus ging wieder in den Besitz der Stadt über. Der Investor besteht jedoch auf einer Entschädigung für entgangenen Gewinn zwischen 21 und 35 Mio Euro. Dazu kommen Vergütungs-Forderungen des Bauunternehmers und verschiedener Gutachter. [4]

Die Bürgerinitiative Licht ins Dunkel um das Hans-Sachs-Haus ist der Meinung, die Stadt solle nicht die Leistungen der beteiligten Firmen bezahlen, sondern diese vielmehr auf Sachbeschädigung an historischer Bausubstanz verklagen. [5] Die am Gebäude durchgeführten Sanierungen seien in hohem Maße unsachgemäß und von vorneherein unter der Zielsetzung eines Komplettabrisses durchgeführt worden. Dafür spreche etwa, dass das historische Farbleitsystem durch die Baufirma weitestgehend zerstört worden sei und man Schäden am Saalboden, die durch einen Unfall während der Sanierungsarbeiten entstanden seien, der Stadt gegenüber als Baumängel der 20er Jahre ausgegeben habe. Die Stadt sieht hingegen keinen Anlass zu einer Klage.

Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage der Stadt kann auch der nun geplante Neubau mit alter Fassade vermutlich erst in einigen Jahren dort errichtet werden. Ob dort dann auch die berühmte Walcker-Orgel, die akustisch speziell für den alten Saal konstruiert wurde, Platz findet ob sie an einen anderen Ort versetzt oder gar verkauft wird, ist zur Zeit noch völlig offen.

Weblinks

Quellen

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